Endlich wieder ein Elternabend, an dem wir uns alle im Kinderhaus treffen dürfen! Knapp 30 Eltern folgen der Einladung – für einige ist dieser Abend auch die erste Gelegenheit, Eltern der Spielkameradinnen kennenzulernen, von denen ihre Kinder schon so viel zu Hause erzählen. Die Pädagoginnen haben sich einen ganz besonderen Ablauf für den Abend überlegt.







Unsere pädagogische Leiterin Christa hat im Vorfeld mit einigen Kindern gesprochen. Bei diesen Gesprächen stand das Thema “Arbeit” immer wieder im Fokus. Für jene, die mit der Montessori-Pädagogik noch nicht so vertraut sind, mag es seltsam klingen, wenn Kinder davon sprechen, dass sie im Kindergarten “arbeiten”.
Maria Montessori unterschied zwischen drei Arten von Arbeit. Tiere zum Beispiel arbeiten instinktiv, um ihr Überleben zu sichern und stiften dabei Nutzen (zB. bestäuben Bienen beim Nektarsammeln Blüten). Erwachsene arbeiten nach äußeren Zielen und Regeln und unterliegen meist Dynamiken der Effizienz, Ökonomie und Produktion. Kinder wiederum arbeiten nach einem inneren Antrieb, um “sich selbst aufzubauen”. Sie arbeiten ziellos, wichtig ist der Prozess. Die intensive (spielerische) Tätigkeit von Kindern bedeutet also “Arbeit” . Dabei verbindet sich immer praktisches Tun mit emotionalen, sozialen und kognitiven Lernprozessen.
Und so lassen uns die Pädagoginnen zu Beginn des Abends auch einmal “arbeiten” wie unsere Kinder. In kleinen Gruppen dürfen wir im Bereich der Kleinkinder (1,5-3jährige) und in den Räumlichkeiten der großen Kinder (3-6jährige) entdecken und forschen. Und danach fragt uns die Pädagogin Suni, ob wir etwas von unseren Erlebnissen erzählen wollen.
Eine Mama gibt Rückmeldung aus der Arbeit im Malatelier: “Ich bin zuerst mit der Freiheit nicht klargekommen, zB. dass ich keine Anweisungen bekomme, was ich malen soll. Ich hab das überspielt mit Blödeln, aber da ist keiner drauf eingestiegen. Am Schluss war ich schon mutiger und es war mir egal, was andere denken. Ich hab’ dann nix mehr rundherum wahrgenommen.”
Und ein Papa erzählt über seine Arbeit mit den farbigen Zylindern: “Es war so angenehm, weil es nur um eine Sache ging. Dann hab ich gespürt, dass ich mich ärgere. Diese blöden blauen Steine, ich hab nicht gewusst, was das ist. Aber dann hab ich es geschafft, grad als der Wecker geläutet hat.”
Und eine Mutter ergänzt: “Es war eine große Arbeit, anstrengend… vor allem, weil wir nicht wussten, was wir machen sollen.”
Wir Eltern haben ein Aha-Erlebnis. Als Erwachsene brauchen wir offenbar viel mehr Anweisungen, klare Ziele und Lob für unsere Arbeit als unsere Kinder.
Sabine, Pädagogin der “großen Kinder”, erklärt typische Merkmale der “Kinder-Arbeit”, zum Beispiel:
- Die Arbeit hat kein äußeres Ziel, es muss kein Ergebnis entstehen.
- Das Kind wird ruhig und ordnet sich selbst durch die Tätigkeit (“Normalisierung”).
- Es ist ganz vertieft in sein Tun und vergisst die Welt um sich herum (“Polarisation der Aufmerksamkeit”).
- Das Kind wird durch die Arbeit nicht müde. Es muss sich nicht ausruhen, weil es bereits durch die Arbeit ausgeruht ist.
Damit die Kinder in ihre Arbeit finden, schaffen die Pädagoginnen im Kinderhaus eine “vorbereitete Umgebung” und begleiten die Kinder achtsam über den gesamten Arbeitszyklus hinweg.
Wir Eltern hören gespannt zu. Wann hatten wir das letzte Mal so ein Gefühl bei unserer Arbeit? Und wie können wir unsere Kinder auch zu Hause unterstützen? Ein kleiner Tip unserer Pädagogin Steffi hilft uns vielleicht dabei: Manche Kinder haben Angst, dass sie eine Arbeit nicht schaffen, weil sie oft hören: “Das kannst du noch nicht, dafür bist du noch zu klein, ich mache das für dich.” Als Eltern können wir in solchen Situationen versuchen, uns zurückzunehmen. Wir können ehrliche Anteilnahme zeigen (“Ja, das ist wirklich eine schwierige Arbeit.”) und die Kinder so begleiten, dass sie es vielleicht doch können. Und dann dürfen wir uns auch mitfreuen, wenn die Kinder die “große Arbeit” (zB. Wasser in ein Glas einfüllen, Schuhe binden oder einen Turm bauen) für sich selbst geschafft haben.
Christa zeigt uns nun noch von jedem unserer Kinder ein Foto, wo es ganz in die Arbeit vertieft ist und liest ein paar Zitate aus ihren Gesprächen mit ihnen vor. Wir Eltern können uns dem Urteil eines der Kinder nur anschließen: “Arbeiten im Kinderhaus ist sehr beruhiglich.” und freuen uns schon auf die nächste Gelegenheit, wenn wir wieder in die Welt unserer Kinder eintauchen dürfen.